Wie gesund ist Rohkost? Ist die roh-vegane Ernährung zu empfehlen?

Die einen schwören auf Rohkost bzw. roh-vegane Ernährung und Ayurveda empfiehlt oft drei warme Mahlzeiten. Was ist denn nun besser? Ist Rohkost nun gesund oder nicht? Und wenn man sich ayurvedisch ernährt, muss man dann alles kochen? Geht es dir auch so, dass du immer wieder gegensätzliche Fakten über die Ernährung hörst und gar nicht mehr weißt, was nun gut oder schlecht ist?

In diesem Artikel geht es um das Thema Rohkost und um die roh-vegane Ernährung. Ich habe dir die Fakten rund um Rohkost und gekochte Nahrung aus Sicht der modernen Ernährungswissenschaft, aus Sicht der Evolutionsbiologie und aus dem Blickwinkel des Ayurveda zusammengestellt.

Was bedeutet Rohkost und roh-vegan?

Vegan

VEGANE Ernährung bezeichnet eine Ernährung ohne tierische Produkte, also ohne Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Eier, Honig… Zu den veganen Lebensmitteln zählen alle Sorten an Gemüse und Obst, Hülsenfrüchte, Getreide, Nüsse und Saaten sowie Pflanzenöle, Kräuter und Gewürze. Vegan sagt zunächst nichts darüber aus, ob du dein Essen kochst oder nicht. Mehr Infos über eine vollwertige vegane Ernährung findest du hier.

Rohkost

ROHKOST bedeutet ausschließlich rohe, also ungekochte Nahrung. Das Essen wird dabei maximal auf 42°C erwärmt. Dabei ist Rohkost nicht grundsätzlich vegan. Manche Rohköstler:innen essen auch rohe Tierprodukte.

Roh-vegan

ROH-VEGAN ist eine Kombination aus veganer Ernährung und Rohkost. Wer roh-vegan lebt, isst nur rohe pflanzliche Lebensmittel, also rohes Gemüse, rohes Obst, rohe Kräuter, ungeröstete Nüsse und kaltgepresste Öle.

Ist Kochen ungesund?

Gehen beim Kochen alle Vitamine kaputt?

Befürworter:innen einer rohköstlichen oder roh-veganen Ernährung berufen sich auf die Natürlichkeit der Speisen und darauf, dass beim Kochen Vitamine zerstört und Enzyme abgebaut werden. Stimmt das?

Es ist korrekt, dass beim Kochen einige Vitamine, wie Vitamin C, Folsäure und Vitamin B1 reduziert werden, aber sie gehen nicht komplett verloren. Nebenbei reduziert sich Vitamin C auch bei langer Lagerung, beim Säubern und Kleinschneiden von Gemüse. Es hängt auch davon ab, um was für ein Gemüse oder Obst es sich handelt. Paprika enthält sehr viel Vitamin C und Studien haben ergeben, dass beim Kochen von Paprika viel davon verloren geht. Ein Grund also, Paprika möglichst oft roh zu essen. Andere Gemüse, wie Rote Bete oder Stangenbohnen enthalten im gekochten Zustand hingegen noch fast alle gesundheitsförderlichen Stoffe und können daher bedenkenlos gekocht werden. Abgesehen davon sind Bohnen roh giftig, sie müssen also unbedingt gekocht werden! Doch dazu später mehr.

Den Vitamin-C-Gehalt deines Essens kannst du übrigens steigern, indem du NACH dem Kochen etwas Zitronen- oder Limettensaft auf dein Essen gibst. Damit steigerst du gleichzeitig auch die Bioverfügbarkeit einiger Mineralstoffe, wie Eisen oder Zink. Die meisten anderen B-Vitamine sowie die fettlöslichen Vitamine (A, D, E, K) und viele Mineralstoffe sind hingegen hitzestabil. Beachten solltest du, dass beim Kochen in Wasser viele Nährstoffe in das Kochwasser übergehen, weshalb du andere Zubereitungsmethoden (z.B. Dünsten oder schonendes Braten) bevorzugen oder alternativ das Kochwasser von Gemüse mit verwenden solltest (z.B. als Gemüsesuppe).

Kann Kochen den Nährstoffgehalt verbessern?

Einige sekundäre Pflanzenstoffe werden hingegen durch das Kochen besser für den Körper verfügbar gemacht, darunter z.B. β-Carotin in Möhren oder Lycopin in Tomaten. Also sind Möhren und Tomaten gekocht sogar gesünder als roh. Das heißt nun nicht, dass du nie wieder rohe Tomaten und rohe Möhren essen darfst, aber es bedeutet, dass du Möhren und Tomaten ohne Sorge kochen kannst und dann sogar mehr von diesen gesundheitsförderlichen Inhaltsstoffen aufnehmen kannst.

Die Hypothese der „Cucivoren“ – oder Kochen in der Evolution des Menschen

Nach heutigen Erkenntnissen der Evolutionsbiologie wird angenommen, dass es nicht in erster Linie der Verzehr von Fleisch, sondern vor allem die Erfindung des Kochens war, was uns Menschen zu dem gemacht hat, was wir sind. Es wird davon ausgegangen, dass das Kochen bereits vor rund 275.000 Jahren erfunden wurde. Erst durch die Nutzung des Feuers und das Kochen konnte der Mensch energiereichere Nahrung aufnehmen und Energie beim Verdauen sparen, womit mehr Energie für das Gehirn zur Verfügung stand. Beim Kochen wird ein Schritt der Verdauung vorweggenommen, die gekochte Nahrung ist also besser bekömmlich.

Außerdem werden beim Kochen durch das Erhitzen Giftstoffe abgebaut. Die meisten Hülsenfrüchte sind roh giftig, so dass man sie kochen muss. Damit kommen wir zur Frage, ob die roh-vegane Ernährung gesund ist.

Wie gesund ist die roh-vegane Ernährung?

Die roh-vegane Ernährung besteht zu einem großen Anteil aus Gemüse und Obst und ist damit reich an Vitaminen, Mineralstoffen und sekundären Pflanzenstoffen. Avocados, kaltgepresste Öle sowie Nüsse und Saaten können zur Versorgung mit Fett und insbesondere die Nüsse zu einem gewissen Teil an Protein beitragen.

Die Auswahl an Proteinquellen ist bei der roh-veganen Ernährung allerdings sehr stark eingeschränkt, da kaum Hülsenfrüchte verzehrt werden können. Grüne Erbsen oder Zuckerschoten können roh gegessen werden, die meisten Linsen, Bohnen und Kichererbsen sind jedoch roh giftig. Damit fallen also bei einer roh-veganen Ernährung fast alle Hülsenfrüchte weg. Das ist nicht gut, denn Hülsenfrüchte zählen zu den wichtigsten pflanzlichen Proteinquellen und liefern viele Mikronährstoffe wie Eisen, Zink und B-Vitamine.

Auch Kartoffeln isst man in der Regel nicht roh. Dabei sind Kartoffeln eine unglaublich gesunde Quelle für Kohlenhydrate, Vitamin C, Kalium usw.

Getreide kann man teilweise roh essen und die Möglichkeiten sind vielleicht vielfältiger, als du denken magst. Jedoch sind die Möglichkeiten bei der ausschließlich roh-veganen Ernährung auch im Bezug auf Getreide etwas eingeschränkter.

Hinzu kommt, dass die pflanzliche Ernährung ohnehin energieärmer ist als die Mischkost. Das ist im Grunde genommen erst einmal gut, da zu hohe Energiedichte zu Übergewicht und unzähligen Krankheiten führen kann. Eine Ernährung mit zu wenig Kalorien hingegen ist auch nicht gut. Über eine ausschließlich roh-vegane Ernährung kann es schwer werden, den notwendigen Energiebedarf zu decken und ausreichend mit allen Mikro- und Makronährstoffen versorgt zu sein.

Rohkost aus Sicht des Ayurveda

Bedeutet Ayurveda, dass man nur gekochte Nahrung isst?

Als ich vor vielen Jahren zum ersten Mal von Ayurveda gelesen habe, hatte ich ein ganz falsches Bild davon. Ich dachte, da darf man nur noch gekochte Suppen essen und das könnte ja nicht gesund sein. Aber das stimmt nicht. Ayurveda bedeutet nicht, dass du nie wieder Rohkost essen darfst und alles kochen musst. Gemäß Ayurveda darfst du alles essen, was dir gut bekommt. Gekochte Nahrung wird im Ayurveda als leichter verdaulich und besser bekömmlich betrachtet als Rohkost. Im Ayurveda heißt es „Du bist, was du verdaust.“ Es hilft also nichts, den ganzen Tag nur Rohkost zu essen, wenn du davon Bauchschmerzen bekommst und überhaupt nichts verdauen kannst, denn dann kommen die vielen Vitamine gar nicht erst im Körper an.

Manche Menschen vertragen Rohkost besser als andere

Ob und in welchem Maße du Rohkost verträgst, hängt zum Beispiel davon ab, wie gut dein Verdauungsfeuer (Agni) ist, welche Konstitution du hast, aber auch davon, zu welcher Uhrzeit und Jahreszeit du isst. Wenn du ein starkes Verdauungsfeuer hast, verträgst du vermutlich auch Rohkost besser. Pitta-Konstitutionen vertragen Rohkost meistens besser als Vata-Konstitutionen. Und generell vertragen die meisten Menschen Rohkost mittags besser als abends. Wenn du abends eine riesige Rohkostplatte verzehrst, und hinterher Bauchkrämpfe hast, ist das nicht förderlich. Solltest du damit Probleme haben, probiere es stattdessen doch mal mit einem Salat zum Mittagessen.

Mehr zum Thema Ayurveda Ernährung findest du in meinem Blogartikel über die acht Faktoren der Ayurveda Ernährung.

Fazit: Ist Rohkost gesund oder ungesund?

Ein gewisser Anteil an Rohkost in Form von frischem Obst und Gemüse, Kräutern, Nüssen und Saaten sowie kaltgepressten Pflanzenölen sollte in jeder Ernährung enthalten sein. Eine ausschließlich roh-vegane Ernährung ist hingegen schwierig umzusetzen. Wie viel Prozent genau die Rohkost in deiner Ernährung einnehmen soll, dazu gibt es keine allgemeingültige Empfehlung. Das ist ganz individuell und hängt davon ab, wie gut du Rohkost verträgst. Am besten probierst du für dich aus, was dir am besten bekommt. Wichtig dabei ist immer, dass du darauf achtest, deine Ernährung so abwechslungsreich und vollwertig wie möglich zu gestalten! Und vergiss nicht: Egal, ob du dein Essen kochst oder zu Rohkost greifst, das Zubereiten deiner Nahrung darf Spaß machen und Essen soll schmecken! 😊

Quellen

Krüger, L. 2020: Ayurveda Ernährung für Berufstätige. Wie du die traditionelle Lehre modern in deinem Alltag umsetzt und dich ins Gleichgewicht bringst, Riva, München, 270 S.

Wrengham, R. 2009: Feuer fangen. Wie uns das Kochen zum Menschen machte – eine neue Theorie der menschlichen Evolution. DVA, München, 299 S.

https://ecodemy.de/magazin/roh-vegane-ernaehrung

Bildquellen:
Titelbild: Foto von Nadine Primeau auf Unsplash

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